digital loitering. where is songdo?

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Aus der Perspektive einer Automobilistin durchfahre ich immer wieder das Standbild der Stadt und bin gleichzeitig getrennt von ihr. Wild verdrehe ich die Perspektive auf der Suche nach etwas Unvorhergesehenem und mache Schnappschüsse.
Es gibt immer eine unsichtbare Grenze, ein letztes Foto – den Punkt, an dem es nicht weiter geht.

Aus dem nichts, auf ausgetrocknetem Wattenmeer, entsteht seit 2003 die Planstadt Songdo in Korea, eines der ersten Greenfield Smart City Projekte. Verkauft haben sich die Gebäude schleppend. Zwischen leeren Wohnhochhäusern werden Chilis für Kimtchi gepflanzt und getrocknet, an den Rändern der Stadt überwuchert die Natur Straßen und Infrastruktur.

Für Städteplaner*innen sind Städte wie Songdo Zukunftslabore, in denen sie mit modernster Technik Innovationen für intelligente Städte ausprobieren. Alles ist so nutzer*innenfreundlich, dass niemand mehr neugierig sein muss. Wird der smarten Stadt durch das aufgehobene Ortsgefühl die Erfahrung des Ortes genommen? Wo finde ich Unvorhergesehenes in Songdo?

Losgelöst vom Ortsgefühl wende ich während des Lockdowns 2020/21 aus großer räumlicher Distanz die Technik des Dérive online an. Jede Nacht lasse ich per Google Street View die stilisierte Person in Songdo fallen, sehe mich um und lasse mich treiben. Digitales Herumlungern. Das Google-Auto dreht parallel seine Runden und zeichnet ein visuelles Abbild des Ortes. Ohne mich. Schicht für Schicht. Automatisierte Fotografie entlang der Strasse. Oberfläche für Oberfläche.

Ich bewege mich durch den statischen Fototunnel hindurch. Ich kann zwischen Strassenansichten von 2011-2020 wählen. Über die Live Aufnahmen wird ein Online-Bilderarchiv des Ortes kreiert. Die Aufnahmen überschreiben sich. Während der Quarantäne sitze ich in Berlin und kann mich über technische Apparate in Korea virtuell durch die Standbilder des Ortes bewegen. Leben im Standbild, leben in der Fototapete. Vor Ort könnte ich versuchen andere Wege zu gehen.

In Songdo ist es immer Tag. Auf den Straßen findet so gut wie kein Leben statt. Lange kann ich die erstarrten Strassenszenen betrachten, die wenigen Protagonist*innen, einsame Spaziergänger*innen oder Arbeiter*innen, sind mir vertraut. Wo ist Songdo? Ist eine smarte Oberfläche überhaupt wahrnehmbar? Drumherum die weniger smarten Areale. Was ist Teil der Smart City, was nicht?

Ich will mich an die Smart City herantasten, ihr Herz, das digitale Steuerungszentrum, bleibt mir zunächst verborgen. Ich taste mich an den fotografierten urbanen Oberflächen entlang.
Der Schatten des Autos verfolgt mich, er wirft sich auf meine Bildausschnitte und mogelt sich über Spiegelungen in meine Bildauswahl. Der Brand klebt wie ein Tapetenmuster auf den Screenshots.

 

 

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